Bei schweren kongenitalen (= angeborenen) Neutropenien handelt es sich um ein sehr seltenes vererbbares Krankheitsbild, das durch eine verminderte Anzahl oder durch das vollständigen Fehlen von Neutrophilen gekennzeichnet ist. Neutrophile sind spezifische Blutzellen, die zum Schutz vor bakteriellen und Pilzinfektionen unerlässlich sind. Im Schnitt entwickeln 20% der Patinet*innen mit einer schweren kongenitalen Neutropenie eine Leukämie. Unser Ziel ist es die Prozesse, die zur Entstehung einer Leukämie bei Patient*innen mit schweren kongenitalen Neutropenien führen, besser zu verstehen. Sind diese Prozesse einmal besser bekannt, können zielgerichtete Therapien entwickelt werden, um die Entstehung einer Leukämie zu verhindern.

In diesem Teilprojekt untersuchen wir den Zusammenhang der angeborenen Mutationen, die die Neutropenie verursacht haben, und Mutationen und Chromosomenveränderungen, die zusätzlich im Laufe des Lebens der  Patient*innen erworben wurden und bei der Entstehung der Leukämie eine Rolle spielen.  Hierbei konzentrieren wir uns auf verschiedene erworbene Mutationen des RUNX1 Gens und erworbene Trisomie 21 und Monosomie 7.

Da es für das Fortschreiten einer kongenitalen Neutropenie zu einer Leukämie keine Tiermodelle gibt, und die Menge des verfügbaren Materials von betroffenen Patienten begrenzt ist, haben die Forscherinnen und Forscher aus der Arbeitsgruppe von Prof. Skokowa ein neuartiges Zell-basiertes Versuchsmodell entwickelt. Dabei reprogrammieren sie die Blutzellen von Neutropenie-Patienten mithilfe molekularer Methoden in einen frühen embryonalen Zustand – in sogenannte induzierte pluripotente Stammzellen (iPS-Zellen). Unter Verwendung einer neuartigen Technologie des Gen-Editierens, der so genannten „genetischen Schere“, fügen sie die potentiell Leukämie-verursachende genetische Veränderungen in die iPS-Zellen ein. Diese Zellen werden dann kultiviert, um hämatopoetische Zellen und reife Neutrophile zu generieren. Diese Zellen sind den ursprünglichen Leukämiezellen der Neutropenie-Patienten sehr ähnlich und machen es möglich zu untersuchen ob die eingeführten genetischen Veränderungen bei der Leukämieentstehung relevant sind. Im selben Zellmodell werden anschließend Therapieversuche mit zahlreichen Wirkstoffen, sog. „small molecule libraries“ durchgeführt.